Operation und rechtzeitige Aufklärung?

Die rechtzeitige Aufklärung vor einer Operation ist entscheidend, und ein aktuelles Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) wirft Licht auf die Komplexität dieses Themas. In diesem Beitrag werden wir uns der Frage widmen, wann eine OP – Aufklärung unmittelbar vor der OP, etwa einen Tag vor der Operation oder wenige Stunden vor der Operation noch rechtzeitig ist oder doch nicht.

„Einen Tag vor einer folgenschweren und nicht dringenden Operation ist zu spät.“

Die Bedeutung der rechtzeitigen Aufklärung

Die vorliegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (3Ob179/23d) verdeutlicht die Notwendigkeit einer zeitnahen und umfassenden Operationsaufklärung. Die adipöse Klägerin hatte sich einer laparoskopischen Magenbypass-Operation unterzogen, deren Folgen sie grundsätzlich akzeptierte. Dennoch erhielt sie die vollständige Aufklärung erst am späten Nachmittag des Vortages der Operation. Das Gericht musste darüber entscheiden, ob dies als rechtzeitig im Sinne des österreichischen Rechts anzusehen ist.

Die Zeit, die für Überlegungen vor einer Operation benötigt wird, hängt von den individuellen Umständen ab. Es gibt keine festen Regeln, da die Bedürfnisse der Patienten unterschiedlich sind.

Wie könnten individuelle Umstände eines Patienten in die Beurteilung der rechtzeitigen Aufklärung einfließen?

Individuelle Umstände wie die psychische Verfassung oder die persönlichen Umstände des Patienten könnten die Notwendigkeit einer längeren Überlegungsfrist beeinflussen.

Die Grundsätze der Rechtsprechung

Der Oberste Gerichtshof betonte, dass die ärztliche Aufklärung so rechtzeitig erfolgen muss, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt. Die Dauer dieser Frist hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im vorliegenden Fall wurde argumentiert, dass der Klägerin aufgrund der Schwere der Operation das Verschieben oder Absagen nicht mehr zumutbar gewesen sei.

Vergleich mit anderen Entscheidungen

Der Gerichtshof verwies auf frühere Urteile, die unterschiedliche Einschätzungen je nach den Umständen des Einzelfalls vornahmen. In einem Fall wurde die rechtzeitige Aufklärung bei einer radikalen Prostatektomie am Vortag als ausreichend erachtet, da dem Patienten ein Ersatztermin einen Monat später angeboten wurde und eine OP – Absage dem Patienten daher zumutbar war. Entscheidend ist daher auch die Zumutbarkeit einer Terminverschiebung. Im Gegensatz dazu wurde bei einer Umstellungsosteotomie des Beckens betont, dass eine Aufklärung am Vortag zu spät sei.

Entscheidende Faktoren für rechtzeitige Aufklärung

Die Schwere der Operation, die Dringlichkeit des Eingriffs und die individuellen Erfolgsaussichten spielen eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Aufklärung. Eine „herkömmliche“ Hüftgelenksoperation mag eine kurzfristige Aufklärung am Vortag rechtfertigen, während komplexere Eingriffe wie die Umstellungsosteotomie des Beckens eine frühzeitige und umfassende Information erfordern.

Was tun, wenn die OP-Aufklärung nicht rechtzeitig erfolgt ist?

Patienten sollten sich bewusst sein, dass sie ein Recht auf umfassende und rechtzeitige Aufklärung über geplante Operationen haben. Wenn sie Zweifel an der Rechtzeitigkeit haben, können sie folgende Schritte unternehmen:

1. Fragen Sie nach rechtzeitig: Sollten Sie das Gefühl haben, nicht ausreichend informiert zu sein, zögern Sie nicht, weitere Fragen zu stellen. Ärzte sind verpflichtet, alle relevanten Informationen zu teilen.

2. Suchen Sie eine Zweitmeinung: Bei Unsicherheiten bezüglich der Dringlichkeit oder der Folgen des Eingriffs ist es ratsam, eine Zweitmeinung einzuholen. Dies kann auch dazu beitragen, eine realistische Einschätzung der Situation zu erhalten.

3. Konsultieren Sie rechtlichen Rat: Wenn Sie der Meinung sind, dass die Aufklärung nicht rechtzeitig erfolgt ist und dies zu negativen Folgen geführt hat, ist es sinnvoll, rechtlichen Rat einzuholen. Ein Anwalt kann die Situation bewerten und Ihnen mögliche Schritte aufzeigen.

4. Die nicht rechtzeitig erfolgte OP – Aufklärung ist oftmals gleichzusetzen mit einer nicht erfolgten Aufklärung. Ohne Aufklärung kann keine Einwilligung erfolgen, sodass ein rechtswidriger Eingriff des behandelnden Arztes vorliegt, der den Arzt schadenersatzpflichtig macht.

In Fällen, in denen eine Operation ohne ausreichende Information des Patienten erfolgt und dies zu nachteiligen Konsequenzen führt, trägt der Arzt die rechtliche Verantwortung. Selbst wenn während des Eingriffs kein Kunstfehler vorliegt, haftet der Arzt, wenn der Patient nach einer angemessenen Aufklärung nicht in die Operation eingewilligt hätte. Die Aufklärungspflicht des Arztes dient dazu, den Patienten vor den potenziellen Risiken des Eingriffs zu warnen, damit er eine informierte Entscheidung über die Zustimmung zur Operation treffen kann.

Ohne eine umfassende Aufklärung kann der Patient keine gültige Zustimmung zur Operation geben, wodurch der Eingriff rechtswidrig wird. Infolgedessen wird der Arzt für alle Schäden haftbar gemacht, die aufgrund unzureichender Aufklärung entstehen.

Wenn der Arzt seine Aufklärungspflicht vernachlässigt und das beim Patienten eingetretene, unvermeidliche Risiko realisiert wird, über das er hätte informieren müssen, haftet der Arzt für den entstandenen Schaden. Dabei ist kein behandlungsbedingter Fehler notwendig, um die Haftung zu begründen. Die Verletzung der Aufklärungspflicht führt nur dann zur Haftung, wenn das konkret aufgeklärte Risiko tatsächlich eintritt.

Fazit

Die rechtzeitige Operationsaufklärung ist ein wesentlicher Bestandteil der Patientenrechte. Die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs verdeutlichen, dass die Umstände des Einzelfalls bei der Beurteilung der Rechtzeitigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Patienten sollten sich ihrer Rechte bewusst sein und im Zweifelsfall proaktiv handeln, um eine angemessene Aufklärung sicherzustellen. Im Falle von Verstößen gegen diese Rechte können rechtliche Schritte unternommen werden, um die Interessen der Patienten zu schützen.

 

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