In einer wegweisenden Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof (OGH) am 22.04.2025 im Fall 7Ob51/25p wichtige Klarstellungen zur Deckungsablehnung in der Haftpflichtversicherung getroffen. Diese Entscheidung ist für alle Versicherungsnehmer von großer Bedeutung, die sich mit einer Ablehnung ihrer Versicherung konfrontiert sehen.
Der Fall: Streit um die Deckungspflicht nach einem Schadensfall
Im konkreten Fall hatte ein Versicherungsnehmer einen Schaden bei einem Nachbarn verursacht, als bei Gartenarbeiten ein Ast auf dessen Wintergarten fiel und diesen beschädigte. Die Haftpflichtversicherung verweigerte jedoch die Deckung mit der Begründung, der Versicherungsnehmer habe grob fahrlässig gehandelt, da er trotz Sturmwarnung die Gartenarbeiten durchgeführt habe.
Der Versicherungsnehmer argumentierte, dass zum Zeitpunkt der Arbeiten nur leichter Wind geherrscht habe und die Sturmwarnung erst für den späteren Nachmittag galt. Zudem sei in den Versicherungsbedingungen nicht klar definiert, was unter „grober Fahrlässigkeit“ zu verstehen sei.
Die Entscheidung des OGH: Klare Grenzen für Versicherer
Der OGH hat in seiner Entscheidung wichtige Grundsätze zur Deckungsablehnung in der Haftpflichtversicherung festgelegt:
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Strenge Anforderungen an grobe Fahrlässigkeit: Grobe Fahrlässigkeit liegt nur vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wird und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich vorhersehbar war. Eine bloße Unachtsamkeit reicht nicht aus.
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Beweislast beim Versicherer: Die Versicherung trägt die volle Beweislast für das Vorliegen grober Fahrlässigkeit. Bloße Vermutungen oder theoretische Möglichkeiten reichen nicht aus.
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Klare Definition in Versicherungsbedingungen: Wenn sich die Versicherung auf grobe Fahrlässigkeit berufen will, muss dieser Begriff in den Versicherungsbedingungen klar und verständlich definiert sein.
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Transparenzgebot: Leistungsausschlüsse müssen in den Versicherungsbedingungen transparent und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich formuliert sein.
Praktische Bedeutung für Versicherungsnehmer
Diese Entscheidung hat erhebliche praktische Auswirkungen für alle Haftpflichtversicherten:
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Stärkere Position bei Deckungsablehnungen: Versicherungsnehmer haben nun eine deutlich stärkere Position, wenn Versicherungen die Deckung unter Berufung auf grobe Fahrlässigkeit verweigern.
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Prüfung der Versicherungsbedingungen: Bestehende Haftpflichtversicherungen sollten auf unklare Klauseln zur groben Fahrlässigkeit überprüft werden.
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Dokumentation des Schadenshergangs: Bei Schadensfällen ist eine genaue Dokumentation der Umstände wichtig (Fotos, Zeugenaussagen, Wetterbericht), um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit entkräften zu können.
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Widerspruch bei Ablehnungen: Bei Ablehnung von Versicherungsleistungen wegen angeblich grober Fahrlässigkeit lohnt sich ein qualifizierter Widerspruch unter Verweis auf die aktuelle OGH-Rechtsprechung.
Fazit: Mehr Rechtssicherheit für Versicherungsnehmer
Der OGH hat mit dieser Entscheidung für mehr Rechtssicherheit im Bereich der Haftpflichtversicherung gesorgt und die Position der Versicherungsnehmer deutlich gestärkt. Die strengen Anforderungen an den Nachweis grober Fahrlässigkeit entsprechen dem Grundgedanken der Haftpflichtversicherung, nämlich dem umfassenden Schutz vor den finanziellen Folgen von Schadensereignissen.
Für Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass sie ihre Ansprüche mit größerer Aussicht auf Erfolg durchsetzen können, wenn Versicherungen die Deckung unter Berufung auf grobe Fahrlässigkeit verweigern. Gleichzeitig unterstreicht die Entscheidung die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Versicherungsbedingungen vor Vertragsabschluss.
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